Bis Anfang diesen Jahres war Raimund Kropp ehrenamtlich als Fanbeauftragter des VfB Oldenburg tätig. Nach anfänglicher Skepsis gelang es ihm zunehmend, Vertrauen zu uns VfB Fans aufzubauen. Neben der Beteiligung am Runden Tisch initiierte er monatliche Fan-Vereinstreffen, bei dem es regelmäßig einen Austausch gab und verschiedene gemeinsame Ideen und Projekte entstanden. Zudem begleitete er uns zur Preisverleihung des Julius Hirsch Preises in Leipzig und nahm an unserer Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz teil. Welche Erinnerungen verbindet Raimund mit dem VfB und seinen Fans? Wie hat sich die Coronakrise auf seinen Alltag ausgewirkt und was verbindet ihn weiterhin mit dem VfB? Diese und andere Fragen hat er für uns beantwortet.
Moin Raimund! Schön, dass du dir die Zeit genommen hast, uns ein paar Fragen zu beantworten. Wie geht es dir?
Ich kann nicht klagen weder gesundheitlich noch persönlich, in den Sommermonaten sowieso!
Wie hat sich die Coronakrise auf deinen persönlichen Alltag ausgewirkt?
Ich hatte schon im Januar geunkt, dass unser Urlaub in Irland in diesem Sommer wohl ausfallen wird. Zu dem Zeitpunkt wurde noch milde über das mögliche Ansteckungsrisiko eines unbekannten Virus gelächelt. Aufgrund einer Autoimmunerkrankung wurde ich dann bereits Ende Februar von meinen Ärzten zur Heimarbeit verdonnert, drei Wochen später war der mehr oder weniger komplette Lockdown. Wie bei vielen anderen Familien auch mussten auch wir dann einen neuen Tagesablauf mit Homeschooling, Homeoffice, Familienalltag schaffen. Im Großen und Ganzen hat das dann auch gut funktioniert. Dagegen stand dann die Kontaktbeschränkung zu Eltern und Verwandten, Freunden und Bekannten. Das empfand ich schon als hart aber sicherlich als unumgänglich. Andererseits werde ich mich wohl zeitlebens an ein Skype-Pfingstfrühstück mit der erweiterten Familie erinnern. Völlig absurd wie wohl die gesamte Zeit unter Covid-19. Dennoch: Ich kann nicht klagen und bin in der glücklichen Lage ohne größere Einschränkungen durch diese Zeit gekommen zu sein.
Du warst viele Jahre als Fanbeauftragter für den VfB Oldenburg tätig. Blicken wir zunächst einmal zurück auf deine Anfangszeit: vor welchen Herausforderungen standest du zu Beginn und wie ist es dir gelungen, Vertrauen zur VfB Fanszene herzustellen?
Die Frage nach dem Vertrauen müsstet ihr eigentlich den Fans stellen. Ich denke einmal, dass ganz zu Beginn natürlich der persönliche Kontakt stand, schließlich waberte immer mit, ich sei nur aufgrund von Verbandsvorgaben als Fanbeauftragter installiert worden. Daneben habe ich erst sehr viel später davon erfahren, dass sich eigentlich schon zwei Personen aus der aktiven Fanszene bereiterklärt hatten als Fanbeauftragte zu fungieren. Sicherlich nicht gerade die beste Voraussetzung, um Skepsis mir gegenüber zu zerstreuen. Doch habe ich immer betont, dass wir uns alle auf Augenhöhe begegnen wollen. Ich denke, dass uns das allen ganz gut gelungen ist und viele gemerkt haben, dass dies nicht nur eine Floskel gewesen war.
Welche Themen spielten in der Anfangszeit eine Rolle?
Ich erinnere mich noch an ein erstes Zusammentreffen in der Geschäftsstelle – damals noch unter dem Vorsitz der Fußballabteilung. Ein Thema war die Entwicklung eines Leitbildes und eine neue Hymne für den Verein. Während die Hymne – komponiert und gespielt von Andreas R. – schon das eine oder andere Mal im Stadion erklang, stand aber die Entwicklung eines Leitbildes für den VfB Oldenburg im Vordergrund. Dadurch kam auch ein intensiver Austausch und Kontakt zwischen Fans und mir zustande, monatliche Fantreffen wurden die Regel und auch das Gefühl füreinander wurde besser. Außerdem musste ich mich auch erst einmal mit dem Amt eines Fanbeauftragten auseinandersetzen. Da gab es doch einige Personen, die mir meine Arbeit in ihrem Sinne erklären wollten. Davon wollte ich mich aber von Anfang an nicht beeinflussen lassen. Ich glaube, viele vergessen dabei, dass der Fanbeauftragte eine gesonderte Rolle im Fußball zukommt und die Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen und internen Vorgaben maßgeblich ist. Das war gar nicht so einfach und teilweise sicherlich nicht im Sinne derer gewesen, die explizit für die Sicherheit im und um das Stadion herum mitverantwortlich sind.
Inwiefern haben sich die Themenschwerpunkte im Laufe der Zeit verändert?
Ich weiß gar nicht, ob sich die Themenvielfältigkeit überhaupt geändert hat. Ich würde einmal sagen, dass sich die Rahmenbedingungen immer wieder an die Themen angepasst haben. Nach wie vor stehen Kommerz, Restriktionen und Verbandsvorgaben im Vordergrund. Aber klar, über die letzten Jahre wurde der Ton auf allen Seiten immer rauer. Dadurch wurde es immer schwieriger, eine Diskussionskultur zu pflegen, die konfliktfrei und undogmatisch geführt werden konnte. Dabeihatte ich eigentlich immer das Gefühl, dass die Themenschwerpunkte niemals so weit auseinander gelegen haben. Am Ende eines Dialogs hätte ich mir aber schon gewünscht, dass sich alle
Beteiligten an die vereinbarten Punkte gehalten hätten. Aber die unterschiedlichen Auffassungen über die Herangehensweise an bestimmte Themen wie aufkeimender Rassismus, Akzentuierungen gesellschaftlicher Entwicklungen und die Kommerzialisierung des Fußballs auch außerhalb des Profibereichs waren teilweise so konträr, dass wohl auch ein runder Tisch keinen eindeutigen Beschluss herbeigeführt hätte.
Und wie verhält es sich mit der Fanszene? Hat sich diese deiner Beobachtung zufolge verändert?
Ich habe es beim VfB Oldenburg häufig erlebt, dass im Zweifel die Fanszene im Großen und Ganzen zusammengestanden hat. Selbstverständlich gibt es hier und da unterschiedliche Auffassungen über einzelne Themen und Schwerpunktsetzungen, das sollte aber nicht zur Spaltung führen. Ich habe auch nach wie vor das Gefühl, dass innerhalb der Fanszene versucht wird, intern Probleme anzusprechen und diese nicht unbedingt nach außen zu tragen. Hier stand mir die OFI immer mit einem offenen Ohr zur Seite und einige Konflikte konnten ohne großes Aufsehen gelöst werden.Was mich eher umtreibt, ist die Tatsache, dass einzelne Gruppierungen innerhalb der Fanszene von außen betrachtet als die Störenfriede angesehen und pauschal alle Fans des VfB Oldenburg in Misskredit gezogen werden. Leider wird dieser Umstand auch von einigen Vereinsoffiziellen als Grund dafür angeführt, die gesamte Fanszene durch fragwürdige Handlungen und Taten an die kurze Leine zu legen. Das musste fast zwangsläufig für Unmut innerhalb der Fankurve sorgen.
Was waren für dich persönliche Höhepunkte während deiner Tätigkeit?
Da bleibt mir das Trainingslager in der Türkei 2016 als ein Highlight in Erinnerung. Es hat einfach Spaß gemacht mit ca. 20 Fans aus den unterschiedlichen Fangruppen ein paar Tage zu verbringen. Schade eigentlich, dass das vom Verein nicht stärker herausgehoben wurde. Aber dieser Moment bleibt wie gesagt in meinem Gedächtnis haften. Daneben gab es sicherlich auch andere Höhepunkte – aus rein sportlicher Sicht bleibt mir der Ausgleichstreffer beim Halbfinale im Landespokal gegen den VfL Osnabrück in buchstäblich letzter Sekunde in Erinnerung. Dieser Aufschrei, der damals durch das Marschwegstadion ging, erzeugt heute noch bei mir Gänsehaut.
Was waren Tiefpunkte?
Puh, Tiefpunkte aus Sicht eines Fanbeauftragten? Schwierig, damit würde ich ja zugeben, dass irgendetwas schiefgelaufen wäre, oder? Ein absoluter Tiefpunkt war aber tatsächlich die sog. „Capri-Sonne-Affäre“, die unter anderem zwischenzeitlich dazu führte, dass die Hausordnung einseitig vom Sicherheitsbeauftragten geändert wurde. Letztlich spiegelt mir nur das wider, was meinen Eindruck von der teilweisen Vorgehensweise gegenüber seinen eigenen Fans verstärkte. Daneben bleibt bei mir die unrühmliche, polizeiliche Massen-Personenfeststellung in Meppen negativ in Erinnerung, ganz zu schweigen von den Cloppenburger Hallenturnieren.
2017 hast du an unserer Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz teilgenommen. Welche Eindrücke hat die Fahrt bei dir hinterlassen?
Wenn ich jetzt sagen würde, diese Fahrt war für mich der Höhepunkt schlechthin beim VfB Oldenburg, würde das vermutlich alle Opfer dieses unverzeihlichen und unvergessenen Leids durch Nazi-Deutschland verhöhnen. Selbst nach drei Jahren habe ich noch immer nicht alle Eindrücke gedanklich verarbeiten können. Ich stelle mir jedes Mal aufs Neue die Frage, wie und warum konnte so etwas überhaupt geschehen? Während ich weiterhin nach Antworten suche, verneige ich mich vor allen, die an diesem Ort die menschliche Perversität durchleiden mussten und eben größten Teils mit ihrem Leben bezahlten.Mich hat diese Fahrt aber auch darin bestärkt, gerade in der heutigen Zeit erst recht aufrichtig zu sein und aufrecht zu stehen gegen sämtliche Anzeichen, die die mühsam errungenen Demokratien in Nachkriegs-Europa gefährden.
Wie nimmst du das Engagement von VfB für Alle e.V. wahr?
Seit der Gründung im Jahr 2011 (Anmerkung: 2011 gab es eine erste Aktion unter dem Namen “VfB für Alle”. Der Verein wurde erst ein Jahr später gegründet) legt der VfB für Alle e.V. häufig die Finger in die Wunde und mahnt zurecht soziale und gesellschaftspolitische Missstände beim VfB Oldenburg an. Ob es das
Einstehen für Rechte von Flüchtlingen ist, der noch immer schweigenden Mehrheit gegenüber homosexuellen Sportlerinnen und Sportler eine Stimme verleiht, oder ihr konsequentes Eintreten gegenüber rechtsextremen und diskriminierenden Handlungen ist, ohne diesen Verein wäre der VfB Oldenburg wahrscheinlich niemals so weit, seine eigenen Werte und Traditionen gegenüber diesen Bestrebungen zu verteidigen. Nicht umsonst und völlig zurecht wurde und wird dieses Engagement bundesweit höchste Beachtung geschenkt und die Verleihung des Julius-Hirsch-Preises ist mehr als nur eine Anerkennung für seine hervorragende Arbeit.
Seit letztem Jahr haben wir in Oldenburg ein städtisches Fanprojekt, für das du dich stark gemacht hast. Warum bedarf es einer solchen Anlaufstelle und wie nimmst du die bisherige Arbeit wahr?
Mir fehlte eine vom Verein unabhängige und losgelöste Fan-Einrichtung. Als Fanbeauftragter bist du natürlich an Vereinsvorgaben gebunden und kannst nicht immer so agieren, wie es manchmal im Interesse der Fans nötig gewesen wäre. Außerdem war es mir schon immer ein Dorn im Auge, dass die drittgrößte niedersächsische Stadt seit Jahren kein eigenes, kommunales Fanprojekt mehr hatte. Das Oldenburger Fanprojekt wird von mehreren Protagonisten wie die Stadt Oldenburg, dem Präventionsrat Oldenburg und dem Stadtsportbund unterstützt und hat damit ganz andere Netzwerke, sozialpädagogisch und zuweilen auch kritisch den VfB Oldenburg zu begleiten. Darüber hinaus wird der VfB Oldenburg auch wieder landes- und bundesweit noch stärker wahrgenommen. Die Entstehung des Fanprojektes war ein langjähriges Projekt und fand mit der Besetzung mit den beiden Sozialpädagogen Greta und Nils ein starkes Team, dieses Projekt zum Erfolg zu führen. Innerhalb kürzester Zeit haben sich die beiden der Fanszene – auch dank der OFI und dem VfB für Alle e.V. – angenähert, bereits zahlreiche Aktionen durchgeführt und sind auch bundesweit mit den anderen Fanprojekten bestens vernetzt. Das ist wirklich schön zu sehen!
Anfang des Jahres erfuhren wir von deinem Rücktritt als Fanbeauftragter. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Ich denke einfach mal, es war an der Zeit. Ich hatte zuletzt nicht wirklich mehr den Eindruck, dass ich die Unterstützung des VfB Oldenburg hatte, die ich für die gewissenhafte und vertrauensvolle Zusammenarbeit benötigt hätte. Zu oft und zu lange habe ich versucht, eine Art der Kommunikation zu pflegen, die allen Beteiligten gegenüber gerecht wird. Die Eigenständigkeiten und persönlichen Befindlichkeiten, die einige andere Vereinsoffizielle an den Tag gelegt haben, wurden meiner Meinung nach viel zu häufig geduldet und zu Ungunsten gerade der Fans uminterpretiert.Offensichtlich wird sich hieran aber auch in naher Zukunft nicht viel ändern, dazu habe ich in den letzten fast acht Jahren meiner Tätigkeit als Fanbeauftragter mehrere Vorstände erlebt, die ihrerseits die weiße Fahne geschwenkt haben. Ganz ehrlich, das verstehe ich nicht und war mir am Ende auch einfach zu blöd.
Was bedarf es aus deiner Sicht, damit sich das Verhältnis zwischen den handelnden Personen beim VfB und den Fans wieder bessert?
Ich hatte gehofft, dass nach dem reinigenden Gewitter nach der Capri-Sonne-Affäre ein Umdenken im Umgang mit den Fans stattgefunden hat. Dieses Umdenken hatte jedoch eine Halbwertszeit von nicht einmal zwei Monaten. Hinzu kam dann noch das unbegreifliche Handeln meines/unseres Vereins gegenüber meiner damaligen Kollegin nach ihrem Wohnungseinbruch, sowie nicht zuletzt die Umgangsweise mit angeblich politischen Äußerungen im Stadion. Ich merke gerade, wie viel Kopfschütteln ich eigentlich nur noch hierfür übrighabe und ich ganz bestimmt nicht derjenige bin, der dem VfB Oldenburg mit dem gegenwärtigen Personal Ratschläge geben könnte. Versucht es doch einfach vielleicht mal mit weniger Selbstgefälligkeit!
Ist das Kapitel VfB für dich nun vorerst beendet oder werden wir dich (sobald es uns wieder möglich ist) weiter im Stadion antreffen?
Was hinter den Türen auf der Geschäftsstelle passiert ist, hat nichts im Stadion zu suchen und schon lange lasse ich mir bestimmt nicht meinen Verein von irgendjemanden vergraulen. Daher ist für mich die Tür „VfB Oldenburg“ noch lange nicht zu, aber vielleicht nehme ich doch etwas aus dieser Corona-Zeit mit: Abstand ist auch einmal ganz schön!
Gibt es noch etwas, dass du an VfB Fans und Vereinsmitglieder loswerden möchtest?
Lasst euch nicht unterkriegen! Bleibt aufrechte Fans und Mitglieder, setzt euch auch weiterhin für all das ein, was der VfB Oldenburg meiner Meinung nach verkörpert: Charmant, liebevoll, traditionsbewusst, ein bisschen eigen, aber stets offenherzig und verrückt.
Vielen Dank für das Beantworten unserer Fragen und alles Gute!
Der Dank ist ganz auf meiner Seite und bleibt gesund.