Nachgefragt: ballspiel.vereint!

Im Jahr 2013 gründete sich in Dortmund die Initiative „ballspiel.vereint!“. Diese zeichnet sich in der Vergangenheit durch vielfältige Angebote für BVB Fans zum Thema Antidiskriminierung aus. Ein solches Engagement ist immens wichtig, da Dortmund eine große rechte Szene hat, die auch immer wieder versucht, Einfluss auf die Fanszene zu nehmen. Wir sprachen mit „ballspiel.vereint!“ um euch diese näher vorstellen zu können.

Ballspielvereint

Mögt ihr uns ein wenig über eure Gründung und über ballspiel.vereint! generell erzählen? Wie kam es dazu, was waren prägende Ereignisse für euch?

Die Initiative ballspiel.vereint! ist ein Bündnis von Borussia Dortmund Anhänger*innen, das sich aus verschiedenen Teilen der BVB Fans zusammensetzt. Neben vielen anderen Punkten war der Angriff 2013 auf Thilo Danielsmeyer vom Fanprojekt und Jens Volke (zu dem Zeitpunkt noch Fanbetreuer) ein Punkt, der mehr Bewusstsein geschaffen hat und auch mit zu unserer Gründung geführt hat (Anmerkung VfB für Alle e.V.: Beim Champions League Spiel in Donezk wurden die genannten Mitarbeiter vom Fanprojekt von drei rechtsextremen BVB Fans angegriffen).

Wie setzt sich die Initiative zusammen und was sind eure Ziele?

Wir sind mittlerweile sowohl vom Alter als auch von der Art des Fanseins sehr breit aufgestellt. Waren wir bei Gründung noch hauptsächlich Vielfahrer mit Erfahrung in der Ultraszene, haben wir von Beginn an darauf geachtet als Initiative niederschwellige Angebote zu schaffen und so auch anders organisierte Fans anzusprechen. Wir sind offen für alle, die unsere Werte teilen. Da wir auch wissen, dass eine Mitarbeit bei uns immer Teilnahme in irgendeiner Form bedeutet, freuen wir uns auch immer darüber, wenn es Leute gibt, die nur gezielt bei einzelnen Aktionen Unterstützung leisten. Aber auch Menschen, die es lediglich schaffen an den Stammtischen teilzunehmen sind bei uns jederzeit willkommen. Unsere Stammtische fanden bis Corona etwa alle 3 Monate statt und waren immer mit einem leichten, aber interessanten Thema besetzt. Mal ein Stadtrundgang oder ein Kneipenquiz, die Fanhilfe hat sich vorgestellt oder wir bieten Workshops an.

Was sind eure Aktivitäten im Umfeld von Borussia und in der Stadt Dortmund allgemein?

Den Kern unserer Aktivitäten sehen wir in der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Hierfür organisieren wir unter anderem Workshops und Vorträge, pflegen unsere Social Media Kanäle und arbeiten daran die Vernetzung von antidiskriminierenden Akteuren rund um den BVB zu verstärken. Gerade der letzte Punkt funktioniert auch ohne konkreten Arbeitsauftrag im geselligen Beisammensein. Zum Beispiel bei den genannten Stammtischen. Dazu äußern wir uns auch im Stadion mit Spruchbandaktionen. In der Stadt sind wir unter anderem bei BlockaDO, ein Bündnis mit dem Hauptziel Nazidemos zu blockieren und dem Bündnis gegen Antisemitismus organisiert. Hauptaugenmerk liegt eindeutig auf dem BVB Umfeld, jedoch sind Stadt und Verein sehr stark miteinander verbunden und es lässt sich nie zu 100% trennen, daher sind wir auch z.B. bei den regelmäßigen Protesten gegen den einzigen westdeutschen Thor Steinar Laden präsent.

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Die Fans von Borussia Dortmund kommen ja aus allen erdenklichen Teilen Deutschlands und der Welt, woher kommen eure Unterstützer und wie funktioniert die Kommunikation mit Leuten, die außerhalb von Dortmund leben?

Die meisten aktiven Mitglieder von uns kommen aus Dortmund oder aus der Nähe und können daher an vor Ort Treffen teilnehmen. Bei Menschen von weiter weg ist meistens der Spieltag, der Tag an dem wir uns persönlich Treffen. Ansonsten nutzen wir für den Austausch in der spielfreien Zeit sowie abseits der Wochenenden verschiedene digitale Kommunikationsmittel.

Wie unterscheidet sich euer Miteinander vor und während der Corona-Zeit?

In der Zeit vor Corona haben wir uns regelmäßig gemeinsam getroffen. Neben den Arbeitstreffen haben wir auch etwa einmal im Quartal einen öffentlichen Stammtisch angeboten. Die Inhalte der Stammtische reichten dabei bisher von einem einfachen Beisammensein mit Grillen und quatschen bis zu organisierten Stadtführungen. Der Fokus beim Stammtisch liegt dabei aber immer eher auf einem nettem Zusammensein als an wirklicher Arbeit. Arbeitstreffen finden aktuell nur noch online statt, sollten sich die Umstände wieder besser werden planen wir eine Kombination aus der Teilnahme vor Ort und Online. Für die Stammtische haben wir bisher noch keine zufriedenstellende Lösung gefunden, sie finden daher aktuell leider nicht statt. Ebenso ist es natürlich so, dass das Stadion als Mittelpunkt wegfällt und sich Aktionen in die Stadt verlagern. Beispielsweise gab es ohne Profifußball mit Zuschauern keine Möglichkeit sich zum Thema Auffanglager Moria zu äußern, weshalb wir Spruchbänder stattdessen an Brücken gehangen haben. Dazu haben wir vor Kurzem zum ersten Mal einen Vortrag online stattfinden lassen und sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Das Thema war Antiziganismus im Fußball.

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Wie steht der Verein und die aktive Fanszene zu eurem Engagement und gibt/gab es diesbezüglich schon Probleme?

Der Verein steht uns sehr positiv gegenüber, die Wege zueinander sind kurz und wir tauschen uns unter anderem am Spieltag häufig durch einen kurzen Besuch am Fanbetreuungstand aus. Punktuell bzw. aktionsbezogen arbeiten wir sehr eng mit dem Verein zusammen. Besonders zu erwähnen sind hier die bisherigen Aktionstage: 2017: Diskriminierung erkennen, Zivilcourage stärken, 2018: Rassismus erkennen – Zivilcourage stärken, 2019: Fußball ist (auch) Frauensache. Für 2020 waren die Planungen für de nächsten Aktionstag bereits angelaufen, aufgrund von Corona wurden die Planungen allerdings gestoppt. Wenn wir etwas planen, können wir davon ausgehen gute Unterstützung zu bekommen. Ob von der KGaA, dem e.V., der Fanabteilung, dem Borusseum, demLernzentrum oder dem Fanprojekt. Wir sind bei den offiziellen Stellen angesehener Partner.Mit der aktiven Fanszene gab es bisher keine ernsthaften Probleme, allerdings gibt es aufgrund der Heterogenität natürlich sowohl unterstützende als auch ablehnende Stimmen und auch Menschen denen wir und unsere Aktivitäten einfach egal sind.

Die Stadt Dortmund im Allgemeinen und speziell der Stadtteil Dorstfeld gilt als Hochburg der Rechtsextremen in Westdeutschland. Könnt ihr uns kurzen Abriss darüber geben, wie sich das im Stadtbild und im öffentlichen Leben darstellt?

Die Präsenz der Nazis im Stadtbild verändert sich durchgehend. Derzeit entsteht der Eindruck, dass sie sich auf den Dortmunder Westen konzentrieren. Nach Dortmund- Mitte ist in Richtung Westen Dorstfeld der erste Stadtteil, nun versuchen sie eher die Stadtteile, die noch westlicher liegen einzuvernehmen. Vor ein paar Jahren waren ihre Bemühungen eher in Richtung Stadtmitte und der migrantisch und armutgeprägten Nordstadt mehr Fuß zu gewinnen, was jedoch scheiterte. Dorstfeld ist ein wirklich großer Stadtteil und definitv keine National Befreite Zone. Jedoch liegt in diesem Stadtteil der Wilhelmplatz in dessen Nähe fast alle Nazikader wohnen und auf dem man als Kamerateam oder optisch Linker sehr schnell bedrängt wird. Es gibt immer wieder Versuche auch beim BVB Einfluss zu gewinnen und gerade zur Hoolszene bestehen auch sehr nahe Kontakte. Geht es vom Acker aber Richtung Stadion wird ihr Einfluss immer geringer. Derzeit haben sie online die Gründung einer neuen Gruppe verlauten lassen, die bisher aber nicht in Erscheinung getreten ist und sehr wahrscheinlich eher eine Idee ist um öffentlich aufzufallen, ähnlich dem nie in Erscheinung getretenen „Stadtschutz“.

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Gibt es Initiativen innerhalb und außerhalb von Dortmund, die ihr unterstützt oder mit denen ihr zusammenarbeitet?

Innerhalb Dortmunds sind wir wie erwähnt Teil von BlockaDO und dem Bündnis gegen Antisemitismus. Wir unterstützen punktuell immer wieder Initiativen die wir wichtig finden. Darunter unter anderem Bodo e.V. und das Gasthaus, die sich beide um Hilfe für Obdachlose kümmern. Außerhalb Dortmunds vernetzen wir uns mit vergleichbaren Initiativen anderer Vereine, dies geschieht aber meist informell und eher im privaten Rahmen, auch wenn sich durch Austausch natürlich viel lernen lässt. Wir sind Teil von B.A.F.F. (Bündnis aktiver Fußballfans) und haben gern mit Initiativen wie F_In (Frauen im Fußball) oder QFF (Queer Football Fans) thematisch zusammengearbeitet.

Wie gibt es die Möglichkeit euch zu unterstützen?

Auch wenn es durch räumliche Gegebenheiten sowie Ligazugehörigkeiten immer zu ganz unterschiedlichen Problemen und Handlungsfeldern einzelner Initiativen, Vereine, etc. kommt stehen wir einem Erfahrungsaustausch immer positiv gegenüber. Dadurch ergeben sich häufig neue Ideen für Aktionen. Außerdem ist eine Vernetzung mit Menschen, die die gleichen Ideen teilen immer eine schöne Sache. Gern könnt ihr uns auch auf Twitter, Instagram und Facebook folgen.

Seid ihr auf den „VfBfürAlle“ aufmerksam geworden und verfolgt ihr deren Aktivitäten?

Der Verein VfB für Alle ist uns ein Begriff, vereinzelt verfolgen wir auch eure Aktionen. Aber durch den Ligaunterschied sowie die räumliche Distanz haben wir natürlich wenig Berührungspunkte. Wir laden euch gern mal auf ein paar Dortmunder Bier zu uns ein, wenn es wieder möglich ist. ;)

Weitere Infos:

www.ballspielvereint.org

www.facebook.com/ballspielvereint

Twitter: @bvereint

Fotos: ballspiel.vereint!